TEST: Jim Power – The Lost Dimension in 3D (MS-DOS, Loriciel, 1993)

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Das tolle an unserem Hobby ist doch (unter anderem): Man entdeckt immer wieder neues. Altes. Also neues Altes. Wie z.B. dieses Kleinod von einem Spiel, dass ich erst Anfang 2020, ganze 27 Jahre nach seiner Veröffentlichung, entdeckte! Zwar war mir der Titel ein Begriff, ich hatte aber keine wirkliche Ahnung, was für eine Art von Spiel sich dahinter möglicherweise verbarg. Und wie so oft war es wieder einmal Gevatter Zufall zu verdanken, dass ich mich überhaupt näher mit dem Titel befasste, denn eigentlich wollte ich zum Zeitpunkt des Kaufs nur das Bundle mit emulierten SNES-Spielen, das auch das bereits vorgestellte “Legend” enthielt, komplettieren.

Die damalige Magazinwerbung für Jim Power
Jim Power: The Lost Dimension in 3D Magazine Advertisement Page 6

SNES? Stand da nicht in der Überschrift etwas von MS-DOS? Gut aufgepasst! Wer dieses Spiel bei Steam kauft, bekommt es nämlich gleich drei (!) mal. Als MS-DOS-Version, als normale und als “verbesserte” SNES-Version. Auf die Änderungen an letzterer Fassung gehe ich später noch ganz kurz ein. Bei Release versprach der Publisher Piko Interactive sogar noch, dass eine noch in der Entwicklung befindliche NES-Version des Spiels und eine lange verschollen geglaubte aber wieder aufgetauchte Mega-Drive-Version plus ein Soundtrack nachgereicht werden würden, kostenlos! Das Versprechen steht nach wie vor, allerdings ist die Veröffentlichung auf Steam inzwischen fünf Jahre her, allzu viele Hoffnungen sollte man sich also nicht mehr machen. Nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne sind all diese Versionen aber zumindest seit einer ganzen Weile vorbestellbar. Vielleicht kommt ja doch noch etwas…

Aber eins nach dem anderen. Worum geht es hier eigentlich? Wie so oft will ein fieses Alien unseren Planeten und am besten gleich alles andere zerstören, um einen Dimensionsvortex öffnen zu können, der in eine fünfte und verlorene Dimension führt, aus der heraus er und seine Spezienspezis alles organische Leben mutieren könnten. Natürlich ist der einzige Weg, um ihn aufzuhalten wieder einmal die Infiltration durch eine Ein-Mann-Armee, mit dem Auftrag, das extraterrestrische Ekelpaket aus dem Weg zu räumen. Tagesgeschäft also. Um den Job zu erledigen springen, schießen und fliegen wir ergo mit unserem pixeligen Alter Ego durch allerlei kunterbunte Level, sammeln dabei fleißig Powerups und Boni ein und geben unser Bestes, nicht abzunippeln. Dabei helfen uns zum einen die bereits erwähnten Goodies wie Waffenupgrades, die übrigens permanent sind, Extraleben, Zeitboni und Smartbombs, mit denen man klassisch schnell für Ruhe auf dem Bildschirm sorgen kann. Zum anderen ermöglicht ein hilfreiches Passwortsystem jederzeit den Wiedereinstieg in die einzelnen Level. Ein Zuckerschlecken wird der Kampf dennoch nicht, schon gar nicht auf dem SNES.

To be, or not to be? That is the question…

Jim Power, meet Jim Power

Generell kam bei diesem Spiel vieles anders, als es ursprünglich mal geplant war: Jim Power für DOS und Konsolen sollte nämlich ursprünglich Buck Rogers heißen und war als Lizenzspiel zu dessen besonders in den USA beliebten Sci-Fi-Geschichten geplant. Es existiert auch tatsächlich ein Prototyp für das SNES, der noch den Titel “Buck Rogers – The Arcade Game” trägt. Schlussendlich kam dieser Lizenzdeal aber nicht zu Stande und der Protagonist wurde wieder in Jim Power umbenannt. Wieder? Ja, denn Entwickler Loriciel stampfte für das geplante Lizenzspiel kein vollständig neues Spiel aus dem Boden, sondern bediente sich beim bereits ein Jahr zuvor für Commodore Amiga, Atari ST, Amstrad CPC und ebenfalls 1993 für TurboGrafx CD veröffentlichten “Jim Power in Mutant Planet”. Im Grunde war “The Lost Dimensions” eine Art Remaster davon: Man dekorierte dessen Plattform-Level optisch um, wobei sich auch PC- und SNES-Version geringfügig voneinander unterscheiden, und ersetzte die Jetpack-Shooter-Level durch jeweils einen Draufsicht-Level im Stile eines “Mercs”, sowie einen klassischen Shoot’em-Up-Level in einem Raumschiff. Zu guter Letzt überarbeitete man natürlich auch den Protagonisten, der ja eigentlich Buck Rogers darstellen sollte. Und so wurde aus dem hippen Hero mit Sonnebrille, Kappe und Shorts der eher klassische Raumpilot. Angedacht waren bereits damals ein Release für Mega Drive, Super Nintendo und sogar Game Boy, schlussendlich wurde jedoch als einzige Konsolenversion nur die für Nintendos 16-Bit-Flaggschiff tatsächlich veröffentlicht.

Die neu gestalteten Platform-Stages

Nicht selten wurden Spiele durch solche gestalterischen Eingriffe verhunzt, wie also wirkten sich die Änderungen am Gameplay und das Redesign des Amiga-Originals eigentlich auf den Spielspaß aus? Glücklicherweise hatten sie in diesem Fall sogar einen durchweg positiven Effekt! Auch wenn die Farben nicht mehr ganz so grell wie auf dem Amiga erstrahlten, blieb das Spiel dennoch wunderschön bunt. Die neuen Level machten das Spiel nicht nur umfang- und abwechslungsreicher, sie unterstrichen auch den Spielhallen-Charakter des geplanten “Arcade Game” besser. Auch wenn die Draufsicht-Level gerne etwas kürzer hätten ausfallen können. Glücklicherweise behielt man neben den bildschirmfüllenden Bossen auch die tolle Musik vom großartigen Chris Hülsbeck bei, die das ohnehin schon gute Spiel noch mit einem akustischen Sahnehäubchen garnierte. Allerdings klingen die SNES-Versionen meiner Meinung nach nicht ganz so gut wie der PC. Auch laufen sie viel schneller, was den Schwierigekeitsgrad merklich nach oben treibt. Hinzu kommt, dass man in der normalen SNES-Version direkt beim ersten Treffer eines der kostbaren Leben verliert, die “Enhanced Version” orientiert sich da glücklicherweise wieder an der PC-Version und spendiert neben deren Ladebildschirmen auch eine kleine Energieleiste mit Herzchen. Dennoch finde ich die DOS-Version einfach “gefälliger” und schöner spielbar, mir macht sie deutlich mehr Spaß als die SNES-Version.

3D, or not 3D? That is the question…

Die als Ersatz für die Jetpack-Level hinzugekommenen Shoot’em-Up-Level
Die etwas langen und zähen Draufsicht-Level

Dem aufmerksamen Überschriftenleser wird inzwischen vielleicht wieder etwas aufgefallen sein: Plattform-Level, Draufsicht-Level, horizontal scrollende Baller-Level… wo genau kommt denn da das 3D ins Spiel? Auch auf den Screenshots und im Video ist es zuerst mal nicht ersichtlich. Entwickler Loriciel ließ sich für “The Lost Dimension in 3D” etwas besonderes einfallen: Das Spiel bekam eine zusätzliche Parallax-Ebene spendiert, die allerdings gegenläufig zu den anderen scrollte. Die allein erzeugte zwar bereits eine deutlich wahrnehmbare Tiefenwirkung, aber immer noch keinen 3D-Effekt. Der entstand erst durch die mit dem Spiel mitgelieferte “3D-Brille”, die im Grunde nur eine einseitig getönte Brille war und den PulfrichEffekt erzeugte, der die Tiefenwirkung der Parallax-Ebenen nochmal verstärkte. Dummerweise kam das Feature nicht ganz so gut an, wie man es sich vermutlich erhoffte: Einige Spieler berichteten von Schwindel- und Übelkeitsanfällen. Deswegen wurde bei der “verbesserten” SNES-Version die zusätzliche Ebene wieder entfernt, bei der DOS-Version ist sie im Menü abschaltbar.

Eine moderne Version der “3D-Brille”, die die dritte Dimension ins Spiel bringt.

Ich persönlich finde den Look schon ohne entsprechende Brille sehr cool. Aber natürlich wollte ich wissen, ob das mit dem 3D-Effekt auch tatsächlich funktionierte. Also scheute ich keine Kosten und Mühen und opferte ein besonders nobles Exemplar einer Sonnenbrille aus dem Hause Pearl, um mir daraus in einer extrem aufwendigen Prozedur selbst eine dieser “3D-Brillen” zu bauen. Und tatsächlich, es funktionierte wirklich! Zumindest solange das Spiel in horizontaler Bewegung blieb, schien sich der Charakter tatsächlich vom in die Tiefe zurücktretenden Hintergrund abzuheben! Ein sehr schöner Effekt, wie ich finde! Und besonders cool ist, dass er auch in anderen Spielen funktioniert! Ich habe es z.B. mit der SNES-Version und dem ersten “Sonic The Hedgehog” für Mega Drive ausprobiert und tatsächlich: Auch hier scheinen sich die einzelnen Ebenen voneinander abzuheben, sobald der Bildschirm nach rechts oder links scrollt! Natürlich funktioniert das auch im Video, das ihr, wie gewohnt, unten findet. Noice!

To play, or not to play? That is the question…

Was man beim Kauf bei Steam alles bekommt und bekommen soll.

Wer auch Lust auf das Spiel bekommen hat, kann sich bei Steam an der DOS- und den SNES-Versionen versuchen, wer lieber eine der kommende Versionen für NES, Mega Drive oder Amiga CD32 vorbestellen möchte, kann das direkt bei Piko Interactive tun, muss dafür aber deutlich tiefer in die Tasche greifen. Ich persönlich hoffe ja nach wie vor darauf, dass der Publisher sein Versprechen einlöst und zumindest die Mega-Drive-Version den Käufern auf Steam noch nachreicht. Wer weiß, vielleicht bekomme ich ja doch noch die Gelegenheit, auch dort meinen Planeten gegen das fiese Alien Vaprak zu verteidigen. Ich würde jedenfalls sofort wieder in den Raumanzug schlüpfen! Das Spiel ist sicher kein Referenztitel in seinem/n Genre/s, aber zumindest die PC-Version ist ein sehr gelungenes, wunderschönes Actionspiel, dem man seine Amiga-Wurzeln jederzeit anmerkt.

Die Bosse in Jim Power sind riesig!

Zum Schluss noch ein Tipp für alle, die wie ich lieber die DOS-Version spielen möchten: Das Spiel mag zu schnelle Prozessoren nicht, entsprechend ist der Wert für die Rechenzyklen (cycles) in DOSBox nach der Installation in Steam sehr niedrig eingestellt. Ist der Wert zu hoch, werden Levelübergänge oder der Game-Over-Bildschirm nach Verlust des letzten Lebens nicht gestartet und man hängt am Ende eines Levels einfach fest. Dummerweise ist besagter Wert aber so niedrig, dass sich das Spiel bestenfalls gerade noch so spielen lässt, geschmeidiges Scrolling ist da nicht mehr drin, selbst einige Menüs ruckeln, von den großen Bossgegnern will ich gar nicht erst anfangen. Glücklicherweise hat DOSBox-Entwickler ripsaw8080 ein kleines Tool gebastelt, mit dem man die virtuelle CPU wieder höher drehen kann, sollte ein Übergang dann nicht starten genügt ein Druck auf die “ENDE”-Taste der Tastatur, um das nötige Bit für die Übergangssequenz doch zu ändern. Ich selbst habe den Wert für cycles in DOSBox auf 50000 eingestellt und konnte das Spiel superflüssig damit spielen. Und die Soundeinstellungen solltet ihr ggfs. nochmal überprüfen, um auch alle Soundeffekte hören zu können. Die sind “ab Werk” nämlich nicht ganz richtig gesetzt, korrekt wäre diese Einstellung:

sbbase=220
irq=7
dma=1
hdma=5

UPDATE vom 2022-04-20: Seit dem 2022-02-07 sind endlich auch die beiden Versionen für NES und Mega Drive im Kauf enthalten! Der Publisher hat dafür zwar den Preis entsprechend erhöht, wer das Spiel aber bereits gekauft hatte, bekommt die beiden Versionen, wie versprochen, kostenlos als Dreingabe. Die Mega-Drive-Version habe ich bereits angespielt und sie hätte glatt meine Lieblingsversion werden können, wäre da nicht das nervige Dauerfeuer des Sprungknopfes, dank dessen man gerne mal unnötige Doppelsprünge macht, die nicht selten zu Verletzungen und Tod des Protagonisten führen.

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